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Hörergrüsse

Meinungsfreiheit unter Beschuss

Wir blicken auf die Religions-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit im Hinblick auf das Verbot der sogenannten "Gehsteigbelästigung".

Der Bundestag hat das umstrittene Gesetz zum Verbot der sogenannten „Gehsteigbelästigung“ verabschiedet.

Gebets- und Protestaktionen vor Abtreibungspraxen und Beratungsstellen sind durch das Gesetz verboten.

Im Interview des Tages haben wir auf das Thema der Religions-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit geblickt und mit dem Juristen Dr. Felix Böllmann, Leiter der europäischen Rechtsabteilung der Menschenrechtsorganisation ADF International, gesprochen.

Unser Programmdirektor Pfarrer Dr. Richard Kocher hat in der Mittagsansprache vom 09.07. das Gesetz kommentiert. Sie finden das Video direkt hier:

radio horeb für den Lebensschutz: Hier finden Sie unsere Sendungen und Erklärungen zum Thema.

Kristijan Aufiero hat die Gesetzesänderung ebenfalls eingeordnet. Das Interview finden Sie hier zum Nachlesen und zum Nachhören.

Kristijan Aufiero ist Gründer der Schwangerschaftskonfliktberatung 1000plus.

Hier finden Sie die offizielle Website von 1000plus.

radio horeb:
"Wie viel Hoffnung haben Sie denn, dass es keine notwendige Mehrheit im Parlament für das Gesetz zum Verbot der sogenannten Gehsteigbelästigung gibt?"

Kristijan Aufiero:
"Oje, das ist eine traurige Frage. Ich habe wenig Hoffnung. Offengestanden. Sehr wenig Hoffnung tatsächlich."

radio horeb:
"Im Vorfeld erklärte die Bundesfamilienministerin Lisa Paus von den Grünen, man wolle die Rechte der Schwangeren stärken und einen wichtigen Schritt für die Selbstbestimmung der Frau gehen, so die Ministerin. Vor Beratungsstellen, Praxen und Kliniken müssten schwangere Frauen wirksam vor Belästigungen und unzumutbaren Einflussnahmen geschützt werden. Herr Aufiero, was versteht denn die Bundesregierung genau unter Gehsteigbelästigung?"

Kristijan Aufiero:
"Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Ich meine, Sie haben Ihre Frage begonnen mit der Aussage, dass es darum ginge, Schwangere zu stärken. Wenn es darum ginge, Frauen im Schwangerschaftskonflikt zu schützen und ihnen einen besseren Zugang zu guter Beratung zu ermöglichen, dann sollte man erst mal die staatlich anerkannte Beratung evaluieren. Was als Gehsteigbelästigung definiert wird, ist erstens mal quantitativ vollkommen irrelevant und faktisch durch keine Tatsachen belegt. Es gibt keine Frau, von der bekannt ist, dass sie zum Beispiel zur Polizei gegangen ist und eine Strafanzeige gestellt hat gegen irgendjemand, der sie belästigt, beleidigt oder genötigt hatte. Wir haben es mit einem absoluten Phantomproblem zu tun, das jetzt mit Symbolpolitik beantwortet wird."

radio horeb:
"Über die Notwendigkeit kommen wir gleich auch noch mal zu sprechen. Was ist denn die aktuelle Rechtslage, Herr Aufiero? Und was will das Gesetz ändern? Was will das neue Gesetz?"

Kristijan Aufiero:
"Nun, die Rechtslage ist ja ganz klar. Es gibt für Sie, für mich, für Schwangere in Not, für jeden Menschen in Deutschland, in der Bundesrepublik ausreichend Gesetze, um uns zu schützen vor Nötigung, vor Belästigung, vor Beleidigungen usw., Gesetze, die uns den Zugang zu Ämtern usw gewährleisten. Es gibt also de facto gar keinen Handlungsbedarf. Dieses Gesetz ist im Grunde genommen eine extreme Maßnahme. Es geht um eine Bannmeile von 100 Metern, um diese Beratungsstellen. Innerhalb dieses geographischen Radius darf es niemanden mehr geben, soll es niemanden mehr geben, der da auch nur still steht und einfach vor sich hin betet. Ein Plakat mit einem Bibelvers beispielsweise in der Hand hält usw. Das soll es nicht mehr geben dürfen, geschweige denn irgendwelche Frauen ansprechen, ihnen vielleicht Hilfe anbieten oder ihnen einfach nur auf den Weg zu geben, dass man an sie denkt in den nächsten Minuten. Das soll dieses Gesetz in Zukunft verhindern."

radio horeb:
"Sie haben über die Notwendigkeit des neuen Gesetzes gesprochen. In der ersten Lesung des Gesetzes im Bundestag imam 10. April gibt es ein interessantes Statment von Silvia Breher von der CDU. Wörtlich sagte Breher: "Mein Kollege Hubert Hüppe hat die Bundesregierung gefragt, wie viele Fälle seit 2021 bekannt sind. Ihre Antwort, ich lese es mal vor: Die Ergebnisse der initiierten Länder Abfrage stützen den Handlungsbedarf, können aber weder quantifiziert noch aufgeschlüsselt werden. Und Frau Ministerin, Sie selber haben im ZDF Interview gesprochen von wenigen Einzelfällen. Wenn Sie aber einen zunehmenden Protest, zunehmende Protestaktionen als Grundlage für diese Rechtsänderung sehen, dann hätte ich zumindest erwartet, dass Sie die Fälle tatsächlich offenlegen, wenn wir schon ein Bundesgesetz ändern." Im Prinzip heißt das ja, dass die Bundesregierung keine konkreten Zahlen vorlegen kann, oder Herr Aufiero?"

Kristijan Aufiero:
"Genauso ist das. Die Bundesregierung hat bei den Ländern gefragt, insbesondere das Bundesfamilienministerium und es wird händeringend nach einer Begründung gesucht. Sie müssen sich vorstellen, so ein Gesetzgebungsverfahren und auch wenn es nur eine Änderung eines bestehenden Gesetzes betrifft, das kostet ja unglaubliche Summen. Das bindet ja Arbeitskräfte. Der Bundestag befasst sich damit. Man sollte meinen, dass es hier um ein Problem gehen muss, das eine gewisse quantitative und qualitative Relevanz besitzt. Die hat es aber nicht. Also die stehen wirklich nackt da. Es gibt keine nachweisbaren Fälle von Belästigungen, in denen Schwangere gesagt hätten: "Ich bin belästigt worden." oder Gerichtsverfahren, in denen eine Schwangere sich nicht ausreichend Recht verschaffen konnte aufgrund solcher Belästigungen, Nötigungen usw. Wir haben es mit einem Phantomproblem zu tun, mit Symbolpolitik. Und das ist das Beängstigende an diesem Fall, weil man sich fragt Was kommt als nächstes? Ich meine, es geht ja immerhin um die Einschränkung von Meinungsfreiheit und von Versammlungsfreiheit der Menschen, die dort in den besten Absichten ungeborenes Leben und Schwangere in Not schützen möchten."

radio horeb:
"Herr Aufiero, welche Konsequenzen hätte denn das neue Gesetz konkret beispielsweise für Lebensschützer?"

Kristijan Aufiero:
"Das ist im Moment schwer zu sagen. Was uns einfach große Sorge bereitet, ist, dass es Beispiele aus Großbritannien gibt, wo tatsächlich ein Priester verhaftet wurde, weil er still vor so einer Klinik stand und gebetet hat. Also ich möchte mir gar nicht vorstellen, dass in Deutschland Menschen verhaftet werden, die vor so einer Klinik beten. Faktisch ist im Gesetz jetzt natürlich nicht von Gefängnisstrafen die Rede, sondern von Bußgeldern, Ordnungswidrigkeiten, die mit bis zu 5.000 € geahndet werden. Also bis zu 5.000 €, soll in Zukunft konkret kosten, wenn man vor so einer Klinik steht. Die Frage wäre dann, was passiert, wenn man diese Strafe nicht bezahlt? Am Ende wird man dann möglicherweise doch im Gefängnis landen. Das sind jetzt die unmittelbaren Konsequenzen für die Menschen. Aufgrund der Recherchen, die ich in den letzten Tagen gemacht habe, bin ich auf zehn Mahnwachen im Jahr in Deutschland gekommen, an drei verschiedenen Orten. Also wir sehen schon, dass es eigentlich überhaupt keinen Bedarf für eine Neuregelung gibt. Die Konsequenzen für einzelne Menschen, die da in bester Absicht sich vor so eine Klinik stellen, um Schwangeren noch eine letzte Chance zu geben, es sich anders zu überlegen, sind natürlich dramatisch, das ist ganz klar."

radio horeb:
"Herr Aufiero, Sie sind der Gründer und Vorsitzende von 1000 plus Profeminare, einer unabhängigen Beratungsstelle für schwangere Frauen in Konfliktsituationen. Wie kann man denn aus Ihrer Sicht Frauen in diesen schwierigen Situationen helfen?"

Kristijan Aufiero:
"Was stört die Leute eigentlich? Was stört diese Regierung eigentlich? Warum regen sich die Beratungsstellen und die Abtreibungskliniken über betende Menschen so auf? Es ist eigentlich das schlechte Gewissen. Diese Leute wissen genau, dass eine große Mehrheit der Frauen, bis zum letzten Augenblick zögern, in eine Abtreibungsklinik zu laufen, sich einen Beratungsschein zu holen und diese Beratung eigentlich gar nicht wollen, sondern sich eigentlich die Lösung ihrer Probleme wünschen. Das ist das Problem. Und das ist genau da, wo wir ansetzen müssen. Wir als Christen müssen einfach immer mehr Information, objektive Information, exzellente Beratung und ganz konkrete Hilfe zur Verfügung stellen. Um diese Frauen zu erreichen, müssen wir einen technologischen Vorsprung aufbauen und im Internet präsent sein. Wir müssen da sein, wo Frauen nach Information, Beratung und Hilfe suchen, nämlich in ihren Smartphones, im Internet. Und da müssen wir wirklich in eine herausragende, exzellente Technologie investieren, um die Frauen dort zu erreichen und ihnen dann jenseits von Gehsteigen und Wartebereichen von Beratungsstellen, Beratung anzubieten, die sie in Anspruch nehmen können."