Jetzt: Pfr. Wernher Bien - Gedanken für den Tag: Jesus von Nazareth - historisch und kritisch betrachtet. Teil 1
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70 Jahre Genfer Flüchtlingskonvention

Interview des Tages - Jonas Wipfler ist Referent für Migration und Flucht beim katholischen Hilfswerk Misereor und heute unser Gast im Interview des Tages. Am 28. Juli 1951 wurde das "Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge", bekannt als "Genfer Flüchtlingskonvention", verabschiedet. Die Konvention legt fest, wer als Flüchtling gilt und welchen rechtlichen Schutz, welche Hilfe und welche sozialen Rechte sie oder er erhalten sollte. Die Konvention definiert aber auch Pflichten, die ein Flüchtling dem Gastland gegenüber erfüllen muss.

Foto: Misereor

Das Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 als PDF nachlesen. Es war zunächst darauf beschränkt, in erster Linie europäische Flüchtlinge direkt nach dem Zweiten Weltkrieg zu schützen. Nachdem sie zunehmend die Bedingungen von Flüchtlingen geändert hatten, wurde der Wirkungsbereich der Konvention zeitlich und geografisch erweitert. Insgesamt 149 Staaten sind bisher der Genfer Flüchtlingskonvention und/oder dem Protokoll von 1967 beigetreten.

In Staaten, die weder die Konvention, noch das Protokoll unterzeichnet haben, ist der Schutz von Flüchtlingen nicht sicher gestellt. Flüchtlinge erhalten in diesen Staaten häufig keinen adäquaten Aufenthaltsstatus, werden nur vorübergehend geduldet oder sind in geschlossenen Flüchtlingslagern untergebracht und dort  Bedrohungen ihrer grundlegenden Menschenrechte ausgesetzt. In vielen Fällen haben sie keinen Zugang zu wichtigen, in der Genfer Flüchtlingskonvention verbürgten Rechten, wie beispielsweise der Zugang zu medizinischer Versorgung, Bildung und Sozialleistungen.

Die Genfer Flüchtlingskonvention ist unverzichtbar

Mit dem Wandel der globalen Migrationsbewegungen und zunehmenden Flüchtlingszahlen wird die Relevanz der Konvention oft in Frage gestellt. UNHCR ist aber davon überzeugt, dass die Konvention nach wie vor die beste Basis für den Flüchtlingsschutz darstellt, nicht zuletzt aufgrund der hohen Akzeptanz durch die vielen Unterzeichnerstaaten. So finden sich beispielsweise Passagen der GFK im deutschen Asylgesetz. Bisher hat die Konvention zum Schutz von Dutzenden Millionen Menschen in den verschiedensten Situationen beigetragen. Solange Menschen verfolgt werden, kann auf die Genfer Flüchtlingskonvention nicht verzichtet werden.

Burkard Jürgens von der katholischen Nachrichtenagentur (KNA) schrieb zum Jahrestag:

Seit einem Menschenleben verbrieft das Abkommen von Genf die Rechte von Flüchtlingen. Was als völkerrechtliches Instrument für die Nachkriegszeit gedacht war, ist heute aktueller denn je.

Genf (KNA) Es ist ein erfolgreiches Kapitel in einer tristen Geschichte: Vor 70 Jahren wurde die Genfer Flüchtlingskonvention verabschiedet. Seither wuchs die Zahl derer, die unter ihrem Schutz stehen. Der Hüter des Abkommens, UN-Flüchtlingshochkommissar Filippo Grandi, erinnert an das Jubiläum mit einer bitteren Bemerkung: "Unglücklicherweise" brauche es weiter seine Organisation, um die Staaten zur Einhaltung der vereinbarten Prinzipien zu mahnen. Ursprünglich sollte die völkerrechtliche Vereinbarung damals helfen, vom Zweiten Weltkrieg hinterlassene Probleme zu lösen. Zehntausende waren entwurzelt und saßen oft ohne geklärten juristischen Status in der Fremde. Das am 28. Juli 1951 von einer UN-Sonderkonferenz verabschiedete "Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge" regelte - ohne ein Recht auf Asyl selbst zu verbriefen - Eckpunkte im Verhältnis zwischen Schutzsuchenden und Aufnahmestaaten.

Dazu gehören elementare Dinge: Flüchtlinge haben Anspruch auf ein Ausweisdokument, behördliche Unterstützung und Zugang zu Gerichten. Ihre Rechte dürfen nicht davon abhängen, wie ihr Heimatstaat selbst mit Flüchtlingen umgeht. Geschützt werden auch das Recht auf Eigentum, Bildung, Berufstätigkeit und Religionsfreiheit. Im Gegenzug haben Flüchtlinge Pflichten - etwa, die Gesetze ihres Aufenthaltslandes zu beachten.

Im Grunde erstreckte sich der Schutz der Konvention nur auf Personen, die "aufgrund von Ereignissen, die vor dem 1. Januar 1951 eingetreten sind", ihre Heimat verlassen mussten. Berücksichtigt wurde auch nur eine Handvoll Fluchtgründe, nämlich Verfolgung wegen "Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe" oder einer politischen Überzeugung. Teils war die Konvention auf Europa beschränkt. Aktuell haben 146 Staaten den Vertrag angenommen, 147 unterzeichneten ein Zusatzprotokoll von 1967, das die Fokussierung auf den Weltkrieg aufgab. Aber weiterhin bleibt der Flüchtlingsbegriff eng umgrenzt. Nicht jeder, der vor Gewalt oder Krieg flieht, ist Flüchtling im Sinne der Konvention, und schon gar nicht die vielen, die vor Naturkatastrophen, den Folgen des Klimawandels oder globaler Ungerechtigkeit Schutz suchen.

Nichtsdestoweniger steigen die Flüchtlingszahlen: 82,4 Millionen Menschen lebten vergangenes Jahr aufgrund von Verfolgung und Konflikten außerhalb ihrer Heimat - ungeachtet aller pandemiebedingter Reisebeschränkungen. UN-Flüchtlingshochkommissar Grandi erklärte dazu, die Flüchtlingskonvention und der Globale Pakt für Flüchtlinge böten das Werkzeug für dauerhafte Lösungen - es brauche aber «einen viel stärkeren politischen Willen, um Konflikte und Verfolgung, die Menschen überhaupt erst zur Flucht zwingen, anzugehen".

Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, zu dessen Aufgaben die Verteidigung des Abkommens von 1951 zählt, setzt bei aller gebotenen Religionsneutralität ausdrücklich auch auf die katholische Kirche. Grandi lobt den "ganzheitlichen Ansatz" von Papst Franziskus in der Flüchtlingsfrage und verweist auf dessen Enzyklika "Fratelli tutti" über weltweite Solidarität. Man wolle "die bestehende Partnerschaft mit dem Vatikan im Hinblick auf die Ziele des globalen Flüchtlingspakts ausbauen", sagte der UN-Hochkommissar nach einer Audienz im April.

Umgekehrt erinnern kirchliche Vertreter gern an die ethisch-moralischen Werte, die völkerrechtlichen Instrumenten wie der Flüchtlingskonvention zugrunde liegen. "Das Recht, Asyl zu suchen, bestätigt letztlich, dass wir eine Menschheitsfamilie sind", erklärte Anfang Juli der Gesandte des Heiligen Stuhls in Genf und schob hinterher: Der Vatikan sei tief besorgt, dass die Pandemie teilweise "grundlegende Normen des Flüchtlingsrechts infrage gestellt" habe, namentlich das "Kardinalprinzip", dass Schutzsuchende nicht zurückgeschickt werden dürften. Es war dies ein Verweis auf das "Verbot der Ausweisung und Zurückweisung", formuliert in Artikel 33 der Flüchtlingskonvention.

 


Genfer Flüchtlingskonvension - 70 Jahre.
Interview des Tages um 8:15 Uhr mit Jonas Wipfler, Referent für Migration und Flucht beim katholischen Hilfswerk Misereor.

In unserer Rubrik Interview des Tages hören Sie diese und weitere Sendungen als Podcast und können sie gerne downloaden und teilen.